Liebe Brüder und Schwestern, mit dem Osterfest beginnt das Gericht über die Welt (Joh 12, 31), über das Leben, über den Menschen, über Gott, und wir müssen von einer klaren und offensichtlichen Feststellung ausgehen: dass wir uns leicht mit den Opfern identifizieren, weil wir uns in der Tat neben ihnen befinden, aber keiner von uns bekennt sich zum Verbrecher, der wir ebenfalls sind oder den wir in uns tragen oder der sich heimlich hinter unzähligen unserer alltäglichen Handlungen versteckt, die ihn verraten, ohne ihn jedoch zu verurteilen. Wir sind nicht unschuldig! Alle haben wir unsere Schuldigkeit erfahren, sind uns bewusst, dass unser Leben in einer seiner ersten Wegkrümmungen seine Unschuld verloren hat. Wir sind Grenzüberschreiter, sogar der Unschuldigste unter uns neigt dazu, Rätsel zu enthüllen und wird von ihnen angelockt, bis hin zu dem Punkt, dass er sich in die dunkelsten Welten vorwagt, dass er aus purer Neugier oder für eine Erfahrung aus erster Hand in sie eindringt, oder um zu entdecken, was von uns unbedingt als angebliche Verheissung von Freiheit und Glück entdeckt werden will, die wir so sehr ersehnen. Wir sind nicht unschuldig, aber fühlen wir uns schuldig? In einer Welt ohne Schuld und Entschuldigung ist es beinahe unmöglich, sich schuldig zu erklären, es spräche gegen uns, würde alarmieren. Wenn wir nicht tatsächlich abscheuliche Verbrechen und Grausamkeiten begangen haben, müssen wir dankbar sein, dass unser Leben nicht von Händen gelenkt wurde, die uns dazu hätten bringen können. Wir wissen nicht, was aus uns hätte werden können in denselben Lebensumständen so vieler Verbrecher. Wie dem auch sei, wir teilen das Schicksal jedes Menschen, und in dieser Spezies bewegen wir uns und mit ihr identifizieren wir uns. Dieses Geschöpf der Hoffnung, das wir sind, bittet um Erbarmen bzw. um die Verteidigung, die es weder sich selbst geben kann, noch den anderen, wenn es seine Schuld auf sich nimmt oder für schuldig erklärt wird. Der Gott des Alten Testaments nimmt die Schuld des Volkes auf sich (Ex 34, 6-7). Er ist der Gott “reich an Erbarmen” (Eph 2, 4-9), der die Schuld vergibt und seine Verheissung aufrecht erhält, denn er ist unschuldig und nur der Unschuldige hat die Macht zu vergeben. Diese Unschuld wird sich im Sohn offenbaren, der Unschuldige, der die Last des Schuldigen auf sich nimmt (Joh 19, 17), der auf sich nimmt, was er selbst nicht ist, lässt sich zum Tode verurteilen, um den Kampf auszutragen, der uns zugestanden wäre. Schuldig! Er ist in den Fluss der Sünder getreten, und ab der Taufe ist er Teil der Schicksalsgemeinschaft der Menschen geworden, die im Todesurteil ihre Vollendung findet, in der Bluttaufe, an unserer Statt, indem er an unsere Stelle tritt, für uns handelt und sich unserer Sünden annimmt in der Bitte um Vergebung vor dem Vater (Lk 23, 34). In Ihm wurden wir versöhnt. “Gott war es, der in Christus die Welt mit sich versöhnt hat, indem er den Menschen ihre Verfehlungen nicht anrechnete und uns das Wort von der Versöhnung anvertraute” (2 Kor 5, 19). Das ist das Übermass der Liebe Gottes, die sich in Jesus Christus geoffenbart hat und die eine grenzenlose Macht haben wird, um das Böse, die Schuld, den Hass, die Distanz zu besiegen . Er übernimmt unsere schuldige Existenz, die der Sünder, und tritt an unsere Stelle, indem er uns nicht nur ersetzt, sondern uns auch vor dem Vater vertritt bis hin zu einer letzten und endgültigen Wiederherstellung, die eine vollkommene Erneuerung mit sich bringen wird (Offb 21, 5). Und an welchen Schuldigen richtet sich diese vollkommene und wiederherstellende Liebe, diese Gnade der Versöhnung? Nicht an irgendeinen Schuldigen, sondern an den Schuldigen, der Reue empfindet. Dies ist unser unwiderrufliche Anteil, die Aufgabe durch die Gabe, diese kostbarste Gnade, diese völlig freie, wertvollste Antwort. Dass wir Reue empfinden für das viele Böse aufgrund des unermesslichen Guten, das wir empfangen haben, bis hin zu dem Tag, an dem wir von Seiten des Unschuldigen sein letztes Urteil über uns hören werden: Unschuldig (Lk 23, 43). Wir wurden durch die Kraft eines Lammes von der Sünde, vom Tod und vom Bösen befreit, und diese paradoxe Realität des christlichen Weges ist die strahlendste und gleichzeitig die schockierendste Wahrheit, weil sie die vollkommene Schwachheit, die Gewaltlosigkeit, die Ohn-Macht als wahre Macht darstellt, die die Kraft des Bösen sprengt. Der Leidensweg Christi öffnet einen neuen Pfad der Beziehung zwischen Mensch und Gott und zwischen uns als Söhnen und Töchtern sowie Geschwistern untereinander: der Unschuldige sucht den Schuldigen, um ihn zu retten, der Unschuldige wendet keine Gewalt an, um den Schuldigen von seinem Irrweg abzubringen, sondern provoziert durch eine Liebe im Übermass, die den schwindelerregenden Lauf des Bösen zu einem Stillstand bringen soll. So dass der Schuldige erkennen möge: “Wahrhaftig, das war Gottes Sohn” (Mt 27, 54). Wir wurden im Blut des Unschuldigen gewaschen (1 Joh 1, 7), und seit diesem Moment ist das Martyrium der radikalste Weg der Nachfolge Jesu, und damit auch der Weg der Kirche. Ihm nachzufolgen, wird den Menschen dahin führen, in schmerzende Fussstapfen zu treten, die jedoch zum Ostermorgen führen werden, in die Gegenwart des Auferstandenen. Herr Jesus, stelle Dich vor uns mit der ganzen Unschuld Deines Lebens und offenbare uns die Wahrheit von uns selbst, unseren Neid gleich dem von Kain, unsere geduldeten Distanzen, unsere Unterlassungssünden, weil wir den Blick abwenden. Reinige, Herr der Barmherzigkeit, unser Herz und gib ihm das Licht dieser Gnade der Versöhnung “zu der es berufen ist”. Reisse allen Hass und alle Bosheit aus uns heraus, die schäbige List des Bösen, die Stück für Stück in uns vordringt, um eine gefährliche und tödliche Leere zu hinterlassen. Befreie uns, Herr der Unschuld, von unseren Wunden, die andere verwunden, von unseren mörderischen Gewalttätigkeiten, von unserer heimtückischen Arglist, die wir nicht völlig ausrotten möchten und lieber verstecken und bis zum Tode aufrecht erhalten. Herr, wunderbare Unschuld, gib uns die Gnade, dass auch wir das Böse auf uns nehmen können, indem wir das Gute umarmen, die eigene und die fremde Schuld auf uns nehmen, uns verantwortlich fühlen für das Böse, das ein Bruder erleidet und auch, das er begeht. Lass nicht zu, dass wir unsere Hände in Unschuld waschen, alles von uns abstreifen, als würde uns dieser blutige Kampf nichts angehen. Taufe uns, Herr, an diesem Osterfest, um neu geboren zu werden. Verteidige uns, Herr, unschuldiges Opfer für unsere Sünden. Heiliger Herr Jesus Christus, wir möchten dieses Osterfest gebadet im unschuldigen Blut feiern, gewaschen in Deinem unschuldigen Blut. Komm, Herr alles Guten, reisse aus unserem Leben die Wurzel alles Bösen aus, und sei es noch so unscheinbar. Wir folgen Dir, Du Unschuldiger, der Du dem Tod am Kreuz entgegengehst. Wir gehen mit Dir nach Jerusalem. Wir bekennen uns zu Dir, wir werden uns auf Deine Seite stellen bei diesem Gericht über die Welt. Ein frohes Osterfest des Unschuldigen, der rettet! Monasterio de la Conversión (Gemeinschaft der Bekehrung) 1.- DIESER UNERTRÄGLICHE LAUT. Wenn das Böse uns umgibt, löst es in uns ein Stöhnen aus, einen Bruch in der Stimme, ein Klagen, einen Wehlaut ... aber das Böse hat seinen eigenen Klang, wenn es uns verwundet, es ist der unerträgliche Laut der Existenz, das Schrille, das sich nicht in die Gesamtmelodie des Lebens einfügt. Wir sind nicht für das Böse gemacht, wie auch unser Gehör dieses unangenehme, unharmonische, nachhaltige Geräusch nicht ertragen kann. Im Bösen gibt es eine Unmäßigkeit, ein Übermaß [1], das uns verstehen oder glauben macht, dass es das letzte Wort hat, aber wir irren uns genau an diesem Punkt, denn es hat weder das letzte Wort, noch überwiegt in diesem Leben das Geheimnis des Bösen. Unser aller Erfahrung ist es, dass wir neben dem Bösen auch die Gegenwart des Guten wahrnehmen können. Von so viel Gutem! Vielleicht ist die tiefere Frage, die wir uns stellen müssten, nicht: “Warum das Böse?” sondern “Warum das Gute?”, und wir sollten zum Guten Stellung beziehen, um seine Gegenwart in der Welt offen zu bekunden, in unserer Umgebung, um es zu erkennen, um seine Offensichtlichkeit zu bestätigen, bzw. wir müssten auch selbst unsere Unfähigkeit eingestehen, aus dem auszubrechen, was unser Leben tagtäglich gefangen nimmt, um uns dem Guten zuzuwenden, das existiert und nicht wahrgenommen wird. 2.- WEM VERDANKEN WIR SO VIEL GUTES? “Das Ausmaß des Bösen misst sich an der Macht seines Gegenmittels” [2]. Das Gegenmittel zum Bösen ist kein anderes als die UNSCHULD [3], die des Kindes und die des Mannes, der am Kreuz sterben wird, und mit ihm derjenige Verantwortung für das Böse übernimmt, der es nicht begangen hat, der reine Güte ist. Dies wird für das Böse selbst eine unerträgliche Herausforderung, denn der Unschuldige, der niemandem schadet, der nie das Böse mit Bösem erwidert, besitzt in seiner Unschuld die endgültige Siegeskraft über das Böse. Wir verdanken all das viele Gute, das es in der Welt gibt, nicht irgendeiner Unschuld, sondern einer UNSCHULDIGEN LIEBE. Gott, der unser Schreien gehört hat [4] und sich vergegenwärtigte, wie er es seit jeher mit barmherziger und zärtlicher Liebe getan hat, besitzt eine Macht über das Böse, das uns quält, aber seine Macht äußert sich über die radikalste Wahrheit: die ihm Eigene, seine eigene Unschuld, die unseren Schmerz und unser Leiden auf sich nimmt [5]. Die Menschwerdung ist Gottes Umarmung unserer menschlichen Natur, die unter dem Stachel des Bösen leidet, aber sie ist auch der Todesstoß für das Böse: Die Unschuld des menschgewordenen Gottes für unsere Erlösung wird zum Stachel gegen das Böse. 3.- DEM WIR SO VIEL GUTES VERDANKEN. Lasst uns also den anbeten, dem wir so viel Gutes verdanken, der gegenwärtig wurde als wir keinen Beschützer hatten, der unsere Schuld bzw. unsere schwache Natur auf sich genommen hat bis hin zur Erwählung einer Krippe als Ruhestätte, der uns keinerlei Schaden zufügen kann, weil er wehrlos zu uns kommt, in Windeln gewickelt, neugeboren, in den Armen Marias, seiner Mutter, und Josefs. Unsere Welt, ohne Schuld und ohne Entschuldigung, oder ganz im Gegenteil, gequält von Schuld ohne Verteidiger, oder von Schuld als ewiger, zermürbender Bestrafung, sehnt sich nach dieser Befreiung, die durch die Unschuld Jesu zu uns kommt, heute als Kind in Betlehem. Unsere Welt, im fortwährenden Spannungsfeld der in ihr wirkenden Kräfte, die auf unsere Zerrissenheit abzielen und bestrebt sind, unsere Sehnsucht nach Versöhnung und Vergebung aus dem Weg zu räumen, findet in der göttlichen Unschuld des Neugeborenen den Heiligen Weg, auf dem sie dem Frieden entgegengehen kann. Unsere Welt, heimgesucht von Angst, Hoffnungslosigkeit, Einsamkeit und Egoismus, wird nur durch diese liebende Unschuld gerettet, die die ursprüngliche Schönheit des göttlichen Plans für die Schöpfung wieder herstellt. Nur der Unschuldige kann Vergebung schenken und die endgültige Versöhnung erzielen, denn nur wer ohne Sünde ist, kann dem Schuldigen vergeben. Deshalb liegt in Ihm, in Jesus, unsere Hoffnung auf Vergebung, Versöhnung und Frieden. Vor Ihm, dem wir so viel Gutes verdanken, das wir alle jeden Tag, im Laufe unseres ganzen Lebens erfahren, möchten wir uns niederwerfen und Dank sagen, seinen Namen loben, Ihn ohne Unterlass preisen, Ihn anbeten. Vor Ihm möchten wir von seiner Unschuld lernen und uns an ihr festhalten, um gerettet zu werden durch die Umarmung seiner grenzenlosen Güte. Wir wünschen uns, dass sich eine Welle wahrer Liebe über unsere Welt erstreckt, die im Verborgensten unseres Herzens beginnt und das Antlitz der Erde bedeckt bis hin zur Möglichkeit einer Neugeburt, einer Neuheit in der Liebe und Güte, die uns der bringt, der keinem schadet. Mögen unsere Wünsche nahe dieses Feuers der unschuldigen Liebe brennen und mögen sich die harten Gesteine unseres Herzens, unserer menschlichen Beziehungen, unserer sozialen Strukturen erweichen, damit die Welle des Bösen ein Ende findet und besiegt werde durch den Wind, die sanfte Brise des Guten, das Jesus von Nazareth auf die Erde gebracht hat. Frohe Weihnachten 2017! Hermanas Agustinas, OSA Monasterio de la Conversión, Sotillo de la Adrada (Ávila), SpanienMonasterio de la Encarnación, Pueblo Libre (Lima), Peru [1] Adolphe Gesché spricht in seinem Werk Dios para pensar von einem Übermaß in der Erfahrung des Bösen, das dessen Beziehung Gott gegenüber rechtfertigt.
[2] Pavel Evdokimov, L’amour fou de Dieu. [3] Der Begriff Unschuld bezeichnet die Abwesenheit oder Erlassung von Fehlverhalten oder Schuld. Im juristischen Sinne ist die Unschuld der Zustand dessen, der nicht für schuldig erklärt wurde. Zwei griechische Wörter, ákakos, “ohne Böses”, und ádolos, “ohne Irreführung”, drücken die Bedeutung des lateinischen Begriffs innocens, “unfähig, Schaden zuzufügen” aus. Àkakos ist der, der ohne Bosheit ist, und deshalb nicht irreführt. [4] Siehe Ex 6,5. [5] "Wo ist Gott?“ Elie Wiesel erwiderte diese Frage in seiner Trilogie der Nacht mit der paradoxesten aller Antworten: „ Dort - dort hängt er, am Galgen …“ (in dem Kind, das vor seinen Augen erhängt wurde) ¡ Feliz Navidad ! |
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